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Frage

Guten Tag, nachdem der letzte thread eher bescheidene Reaktionen hervorrief, wohl sicher weil er zu sehr um eine Person herum aufgebaut war, würde ich gerne ein viel allgemeineres Thema aufgreifen. Nun, tolle Themen gibts ja genug hier. Ich frage mich manchmal wie es den Leuten gelingt ein derart hohes Niveau konstant aufrechtzuerhalten. Ich glaube es hängt mit der Sprache zusammen. Die Idee kam mir neulich, als mich ein Obdachloser in beinahe gehobener Sprache anredete. Er sprach tatsächlich fast ohne Gossenslang, mit einer Höflichkeit die mich erstaunte. Er sagte wörtlich: "Guten Abend mein Herr. Ich möchte sie um eine kleine Spende für mich bitten, damit ich meinen Lebensstandard verbessern kann." Ohne Wörter zu verschleifen und in vollständigen Sätzen mit Betonung der Konsonanten. Ich dachte nur, "Hey das ist ein Scherz, sowas gibt's nicht in' echt!" Aber da stand er und war real. Normalerweise heisst es: "Hasse maln eurohh?", zusammen mit kleinen Spucketröpfchen die dir in dein Gesicht geschleudert werden, während die Person sich in die Hosen uriniert. Hat er aber nicht. Gut, er hatte es scheinbar schon vorher getan, denn als der Wind umschlug, warf es mir eine Breitseite an Gerüchen in die Nase, die mit Klärgrube und Verwesung nicht annähernd beschreibbar waren. Aber seine Augen waren klar. Sein Blick verriet pure Verachtung gegenüber denen, den es besser geht. Er verachtete mich und redete doch auf meinem Level. "Im Prinzip der perfekte Verkäufer", dachte ich. Ich hatte noch zwei Freundinnen und einen alten Feund im Schlepptau und dachte kurz ernsthaft darüber nach, ob dieses Wrack nicht irgendwie besser war als meine Freunde. Die redeten immer nur auf ihrem Level,würden niemals eine andere Sprache oder ein anderes Auftreten akzeptieren.Sie waren Gefangene ihrer Welt. In diesem Moment überkam mich ein Gefühl von Neid. Ich beneidete den P enner, weil er anders war und doch überlebte, weil er mit anderen reden konnte. Er hatte keine Berührungsängste, er sprach richtige Menschen an, obwohl er selber keiner war. Klar war er Dreck irgendwie, aber konnte es selber erkennen und deshalb in anderen Kreisen reden, als ob er dazugehörte. Das ist eine Leistung, die vielen heutzutage abgeht. Sie sehen sich nicht als minderwertig an, sind sogar noch stolz darauf. Manche nennen das "Proletarierstolz" oder was weiss ich. Diese Leute versiffen in ihrer 50 qm Sozialbauwohnung und laufen zweimal in der Woche in den Supermarkt um Sprit zu kaufen. Die leben in der realen Welt, mit Unterkunft, "Einkommen" und erzählen ihren Bekannten wie sehr sie der Staat geißelt. Haben Licht,Wasser und Wärme. Das Ding vor mir hatte nichts davon und war doch Klassen besser als sie alle. Ich glaube, was mich wirklich an dem Junkie anmachte, war dass er Klasse hatte. Auch wenn er zum Himmel stank. Ich cancelte das Treffen mit einem Freund, zu dem wir eigentlich gehen wollten und lud das stinkende Wrack in das nächste Taxi. Kostete mich 120euro für eine 20euro-Fahrt weil der Fahrer den Typ nicht in seinem Taxi haben wollte. Wir fuhren zu mir, ich warf ihn unter die Dusche, liess ihn ausschlafen auf meiner Couch. Am nächsten Tag gab ich ihm ein paar ausrangierte Klamotten. Wir redeten ein bisschen. Ich machte ihm hauptsächlich klar, dass er nicht allzuviel zu erwarten hätte, nachdem er schon die Erfahrung, menschlicher Müll zu sein gemacht hätte und stellte ihn kurzerhand ein. Er arbeitet jetzt erstmal als Praktikant und kümmert sich um Hausangelegenheiten und die Post. Zunehmend auch um unwichtige Kunden. Aber ich sehe einen Fortschritt der schneller vorangeht, als bei Leuten die nie auf der Strasse gelebt hatten. Er ist besser als die arbeitslosen Fleischerfachgehilfen, die pseudo "ich habe den InternetFührerschein"-IT-Fachräfte und andere arbeitlosen Leute, die noch gut leben, ohne zu merken dass sie keiner mehr haben will. Er wusste, dass ihn keiner mehr wollte. Er hatte abgeschlossen mit allem und redet demnächst mit englischsprachigen Kunden. Ich hatte mal einem dieser Kunden erzählt, ich beschäftigte einen ehemaligen P enner, den ich auf der Strasse aufgelesen hatte. Ich erntete Lacher und gleich acht! neue Kunden und den Titel als "komischer Kauz, der aber ziemlich cool ist" ('he's strange but a win'). P enner sind heutzutage eine echte Alternative. Diese Seite beschäftigt sie ja ebenfalls, zB. als Moderatoren was heisst dass ich mit meiner Einstellung nicht alleine bin. Wir könnten alle etwas tun. gott mit uns allen, spectral

Antwort 1 von Arno_Nym

Wie schön political incorrect.

Und mutig - oder nur Kalkül?
Zitat:
Diese Seite beschäftigt sie ja ebenfalls, zB. als Moderatoren was heisst dass ich mit meiner Ein2stellung nicht alleine bin. Wir könnten alle etwas tun.

;o)

Arno

Antwort 2 von tomsan

Muahahaaa.... danke für den tollen Bericht. Immer wieder klasse ne gesunde Portion "spectralesker" Gedankengänge abzukriegen ;-)

Antwort 3 von Nhuya

Ich finde deine Art zu schreiben super. Es liest sich immer we ein spannender Roman (arbeitest du als Texter o.ä.?).

Antwort 4 von gast123

hi all

wenn es kein fake sein sollte,hut ab und verbeugung :-)

zu dem schreibstil,so waere es eigentlich normal wenn man deutsch gelernt hat und auch anwendet,nicht mein fachgebiet :-))

doch bekomm ich bei einem buch mit guter ausdrucksweise immer noch eine gaensehaut und ich frage mich ,was mehr fesselt der inhalt oder die ausdrucksweise :-)

gruss gast123

Antwort 5 von Primut

Ja, genau!!!
    Wir wollen mehr......

    Gutes tun

Funny van Dannen: Gutes tun
Zitat:

Gutes tun, Gutes tun, Gutes tun ist gar nicht schwer
Man kann soviel Gutes tun zu Hause und im Kreisverkehr


Kondome nicht ins Klo
Keine Drogen sowieso
Weniger Fernsehen
öfter zu Fuß gehen
Auch mal an die im Abseits denken
Gebrauchte Pornos dem Altersheim schenken


Gutes tun, Gutes tun, Gutes tun ist garnicht schwer
Man kann soviel Gutes tun zu Hause und im Kreisverkehr.....




guten Gruß
    Primut


"Warum sind nicht mehr Leute aus Trotz gut?" - Elias Canetti

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