Spätestens Tschernobyl sollte doch jedem halbwegs intelligentem Menschen klargemacht haben, dass der Mensch Atomenergie eben nicht wirklich beherrschen kann. Das dem so ist zeigt sich jetzt wieder so deutlich wie damals in Tschernobyl. Alleine schon die Aussagen der Experten von wegen "physikalische Prozesse die nicht mehr zu stoppen sind" sollte doch jedem klar machen, dass man in so einem Fall doch besser die Finger von solcher Technik lassen sollte. Stattdessen sollte man sich nur mit Techniken befassen und weiterentwickeln, die auch jederzeit beherrschbar bleiben. Und zur "Beherrschung" gehören für mich ganz automatisch und grundsätzlich auch Zustände die nicht mehr innerhalb normaler Betriebsparameter liegen. Für mich ist eine Technik nur dann beherrschbar, wenn auch extreme Situationen beherrschbar bzw. deren negative Auswirkungen relativ harmlos bleiben. Irgendwelche Statistiken die die Menschen in Sicherheit wiegen sollen, sind da nur peinliche Versuche der Rechtfertigung einer Technik die man tatsächlich gar nicht im Griff hat. Ausserdem machen mir weniger die hunderte Gefahren Sorgen an die man bereits gedacht hat, sondern eher die zwei bis drei an die man eben nicht gedacht hat.
Möglicherweise hängt mein Standpunkt dazu auch direkt mit meiner Denkweise aus dem Beruf zusammen. Jeder der programmiert hat ganz automatisch entsprechende Denkmuster wie "was wäre wenn". Als Programmierer muss man grundsätzlich in Gedanken mit den Benutzern Schach spielen und mögliche Situationen voraus ahnen. Auf was für Ideen könnte der Benutzer evtl. kommen und wie fange ich das ab. Was für Probleme könnten auftreten und wie könnte ich dem Benutzer helfen oder ihn sogar automatisch korrigieren usw. usf. Sprich: wie behalte ich bzw. das Programm jederzeit die Kontrolle. Das ist nichts besonderes, ganz normaler Bestandteil des Berufes. Entsprechend dieser Denkweise gehe ich auch grundsätzlich bei allem davon aus, das, wenn etwas schief gehen kann, es auch auf jeden Fall früher oder später schief gehen wird. Ob was schief geht ist für mich also grundsätzlich keine Frage des OBs sondern nur des WANNs.
Gut, danach dürfte man auch in kein Flugzeug mehr steigen. Denn wenn da etwas richtig schief geht ist das auch nicht mehr beherrschbar und die Menschheit hat wieder einige Steuerzahler weniger. Allerdings hinkt der Vergleich. Wenn ein Flugzeug die nicht geplante direkte Abkürzung nach unten nimmt, kann das zwar auch verheerende Auswirkungen haben, aber das sind trotzdem alles Peanuts - selbst 911 - im Vergleich zu einer atomaren Katastrophe.
Es hört sich vielleicht zynisch an, aber so hat die Katastrophe in Japan wenigstens etwas gutes; die Diskussion über Atomenergie ist neu entfacht nicht nur in Deutschland und das Ganze trägt "vielleicht" sogar noch gute Früchte für eine bessere Zukunft. Ich hoffe auf jeden Fall und ich wünsche es dem japanischen Volk, dass es nochmal mit einem blauen Auge davonkommt was die AKWs angeht, auch wenn es da momentan eher nicht danach aussieht. Schliesslich reichen Erdbeben und Tsunami für sich gesehen schon völlig aus, dass dem zurückhaltenden Japaner momentan der gleiche Satz auf den Lippen liegen dürfte wie mir jetzt: "Ich habe fertig!"